Was kann Musik? Roger Willemsen besaß ein hochausgeprägtes Feingefühl für ihre Stärken und Eigenheiten. Für sein Programm „Landschaften“ wählte er Musik, die uns trifft: aufrüttelt, begleitet, die Fragen aufwirft, Befindlichkeiten entlarvt, nachfragt.

Bei Franziska Hölscher und ihrer Freundin aus Hochschultagen Marianna Shirinyan fand Roger Willemsen den Tonfall, die Verbindlichkeit, die er suchte. Unter dem Arbeitstitel „Reisen in Europa“ entdeckten sie gemeinsam Musik, die den Subtext seiner Erzählungen mit Dringlichkeit auflädt, so dass Fragen und Aussagen wie Liebespfeile mit Widerhaken ins Herz treffen. „Reisen“ hieß für Roger Willemsen immer auch, Menschen aus einer natürlichen sozialen Distanz zu beobachten, ihnen im täglichen Elend des Alltags in ihrer Würde als Menschen zu begegnen. Diese Musik färbt nichts schön, aber sie hinterfragt und verwandelt unsere Blicke. Sie fordert geradezu die kritische Selbstreflektion des Betrachtenden selbst.

Franziska Hölscher und Marianna Shirinyan beleben die feinen Nervenbahnen, die Musik und Texte verbinden. Dazu gehört Musik aus Béla Bartóks Rumänischen Volkstänzen, ein Blues von Maurice Ravel, eine Sonate von Brahms. Eine merkwürdige Fügung des Schicksals, dass das Programm ausgerechnet mit einem Largo von Johann Sebastian Bach beginnt. Das weckt nun besondere Erinnerungen an den vor fünf Jahren verstorbenen Roger Willemsen. Die Musik von Johann Sebastian Bach rückt noch einmal die ganze Schaffenskraft des von Kultur bewegten Menschenfreundes ins Bewusstsein. Es ist Musik, die immer die Frage nach dem Menschsein und dem Sinn des Lebens an sich stellt.

Mittwoch Mittag ist die Geigerin Franziska Hölscher mein Gast auf NDR Kultur in NDR Kultur à la Carte. Sie ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Was überzeugt und verführt, ist ihr untrügliches Gespür für das Wesentliche, das Unaussprechliche der Musik. Und dass Roger Willemsen sie ausgewählt hat und sie mit Reinhard Goebel Bachs Violinkonzerte erarbeitet und mit Kit Armstrong Kammermusik spielt…mehr am Mittwoch. (und danach noch 7 Tage im Internet auf NDR Kultur).