Glühende Musikströme voller Poesie

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Glühende Musikströme voller Poesie

9. März 2021 @ 21:00 - 22:00

Es ist immer etwas Besonderes, mit Aribert Reimann zu telefonieren. In der letzten Woche war es noch aufregender als sonst. Denn wieder komponiert Aribert Reimann und die Energie, die er mit seinen 85 Jahren verströmt, ist einfach ansteckend.

Aribert Reimann © picture alliance / dpa Foto: Jens KalaeneDer von Corona derzeit verlangte Rückzug ins Private ist für Aribert Reimann normal, wenn er komponiert. Man darf sich mit dem 85jährigen freuen, dass es ihm gut geht. Am Telefon klingt er heiter, weil er froh ist, täglich arbeiten zu können. Sechs Premieren und viele Konzerte sind im letzten Jahr ausgefallen, die Musikerinnen und Musiker tun ihm besonders leid. Besonders glücklich ist er deshalb über seine letzte Uraufführung im November 2020: Im Auftrag der Sächsischen Staatskapelle, deren Capell-Compositeur er in der Saison 2019/2020 war, hat er „Fünf Stücke für kleines Orchester“ komponiert. Diese wurden mitten im Lockdown im November 2020 kurzentschlossen von der „Kapelle 21“ der Sächsischen Staatskapelle uraufgeführt und fürs Radio aufgezeichnet. Begeistert erzählt Aribert Reimann, dass er in der Probenphase täglich ausführlich mit dem sizilianischen Dirigenten Gaetano d’Espinosa telefoniert hat und wie sie gemeinsam die Partitur sehr detailliert durchgesprochen haben. Die Uraufführung war dann auch wirklich gelungen, kommentiert Aribert Reimann glücklich.

Es hat mir Spaß gemacht, für die Sendung einige Gedanken aus früheren Gesprächen mit ihm herauszusuchen. So zum Beispiel einen der Kommentare von Boris Blacher, der Aribert Reimanns Denken im Studium maßgeblich verändert hat. Es ist eine seiner Lieblingsgeschichten: „Einmal kam ich in den Unterricht und mir war nichts eingefallen, und ich stand da mit leeren Händen, worauf Boris Blacher sagte: „Komponieren mit Inspiration ist keine Kunst, aber ohne, da fängt es an!“ Und da hatte ich etwas verstanden. Eben nicht aufzuhören, sondern mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln zu versuchen, über diese Brücke zu kommen, und dann geht das auch. Es ist hart, aber es geht.“

Aribert Reimann kennt sich wie kein anderer aus in der Lyrik und der klassischen Literatur vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts. Seine Bibliothek ist groß und sie lädt ihn immer wieder zum Lesen und Stöbern ein. Und irgendwann ist ein Text verblüffend aktuell. Alles was er komponiert, sei eine Antwort auf unsere Zeit, sagt Aribert Reimann. Und schon einige Male war es so, dass der Komponist Themen aufgegriffen hat, die in der Luft lagen, noch bevor sie in aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen hochgekocht wurden. So hat Aribert Reimann die Medea in verschiedenen Fassungen mehrfach gelesen. Als ihn jemand 2007 noch mal auf die Grillparzer-Version verwies und er sie daraufhin zum wiederholten Male las, da hörte er innerlich schon Musik zu bestimmten Szenen. 2010 war die Uraufführung der Oper in Wien.

Was hatte Aribert Reimann an Grillparzers Erzählung von Medea so gefesselt? Der König der Argonauten, Jason, sagt in Grillparzers Drama „Das goldene Vlies“ 1819 zu seiner Ehefrau Medea, die ihm aus Kolchis nach Griechenland gefolgt ist: „Nimm dein Kopftuch ab, kleide dich wie eine Griechin!“ Medea ist geprägt von ihrer traditionsreichen Kultur und bleibt in Griechenland eine Fremde. Am Ende des Dramas, in dem Medea ihre Nebenbuhlerin Kreusa töten lässt und ihre beiden Kinder ermordet, bringt Medea das goldene Vlies zurück nach Delphi, von wo es gestohlen worden war.

Aribert Reimanns Musik erzählt unerbittlich direkt. Er konfrontiert uns mit der Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz des Fremden und dem Thema Raubkunst. „Unsere Welt ist noch voll von gestohlenen Gütern“, sagt Aribert Reimann, „von denen man nicht weiß, ob sie überhaupt einmal zurückgebracht werden.“ Die unglaublich virtuose Partie der Medea hat Aribert Reimann der Ausnahme-Sopranistin Claudia Barainsky anvertraut.

Mehr in der Neuen Musik auf NDR Kultur. Anlass ist der 85. Geburtstag von Aribert Reimann (geb. Berlin 4.3.2021).

Sie Sendung hören Sie am 9. März von 21-22 Uhr auf NDR Kultur und danach eine Woche im Internet.

 

 

Details

Datum:
9. März 2021
Zeit:
21:00 - 22:00
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